Muskelverkürzungen

Dehnübungen für Vielsitzer

Wenn dir manche Pilates-Übungen Mühe bereiten, muss das nicht zwangsläufig an der fehlenden Kraft liegen. Oft sind verkürzte Muskeln mit ein Grund dafür. Sie erschweren oder verunmöglichen die korrekte Haltung und Ausführung. Die Lösung heisst: regelmässig Dehnen.

Dass wir den Grossteils des Tages über sitzen, hat Folgen für unsere Muskulatur: sie verkümmert, verspannt und verkürzt sich. Zur Verkürzung neigen vor allem die hinteren Oberschenkel, die Hüftbeuger sowie die Brust- und vorderen Schultermuskeln. Verkürzte Muskeln schränken unsere Beweglichkeit ein, verändern unsere Statik und verstärken dadurch Fehlhaltungen, die nicht nur Schmerzen auslösen, sondern zu weiteren Verkürzungen führen. Ein Teufelskreis, der sich durchbrechen lässt: mit einer Kombination aus mehr Bewegung im Alltag, regelmässigem Pilates und gezieltem Dehnen.

Zu den Übungen

Teil 1 – Dehnung für die hinteren Oberschenkel

Teil 2 – Dehnung für die Hüftbeuger

Teil 3 – Dehnung für die Brust und Schultern


Hintere Oberschenkelmuskulatur

Die hintere Oberschenkelmuskulatur – auch ischiocrurale Muskulatur oder Hamstrings genannt – setzt sich aus drei Muskeln zusammen. Sie bewirken eine Streckung im Hüftgelenk und eine Beugung im Knie. Sie sorgen also dafür, dass wir das Bein zurückführen und den Unterschenkel anziehen können – und sind damit massgeblich an der Laufbewegung beteiligt.

Folgen verkürzter Hamstrings

Ist die hintere Oberschenkelmuskulatur verkürzt, kippt das Becken durch den Zug nach hinten und der untere Rücken (die Lendenwirbelsäule) krümmt sich – mit Auswirkungen für die gesamte Wirbelsäule. Im Alltag kann das zu Rückenschmerzen führen. Und beim Sport sind die Hamstrings anfälliger für Muskelzerrungen.

Ausserdem wird die korrekte Ausführung bestimmter Übungen praktisch unmöglich. Ein Beispiel ist der Spine Twist. Mit verkürzten Hamstrings ist der Langsitz nur möglich, wenn das Becken nach hinten kippt und der untere Rücken rund wird. In dieser falschen Position ausgeführt, verfehlt die Übung nicht nur ihren Zweck, auch werden andere Muskeln und Gelenke fehlbelastet.

Dehnung der Hamstrings

Die hintere Oberschenkelmuskulatur lässt sich in Positionen dehnen, in der die Hüfte gebeugt und das Knie gestreckt sind.

Beine hoch – Variante an der Wand

  • Leg dich auf den Rücken und stell die Fersen an der Wand ab.
  • Entspann die Beine und lass sie schwer in die Wand sinken, sodass sich die Knie strecken können.
  • Rutsch etwas näher zur Wand, um den Zug zu verstärken. Aber nur soweit, wie dein Becken in der neutralen Position bleibt und du unter deinen Lendenwirbeln noch Luft hast.
  • Drück nun abwechselnd eine Ferse stark in die Wand und halte den Druck für 5 bis 10 Sekunden. Halte das Knie dabei gestreckt und die Lendenwirbelsäule neutral.

Beine hoch – Variante mit den Armen

  • Leg dich auf den Rücken, strecke ein Bein zur Decke und das anderen dem Boden entlang aus.
  • Fasse mit den Händen den hintere Oberschenkel und zieh das Bein sanft Richtung Oberkörper. Halte das Knie dabei gestreckt und achte darauf, dass unter deiner Lendenwirbelsäule noch ein wenig Luft ist.
  • Alternativ kannst du ein Thera-Band oder ein Tuch zu Hilfe nehmen, um Schultern und Kopf besser entspannen zu können.

Im Stehen – für Fortgeschrittene

  • Mach einen Ausfallschritt und verlagere deinen Schwerpunkt auf das hintere Bein. Das hintere Knie ist leicht gebeugt, das vordere gestreckt.
  • Lehne den Oberkörper nun leicht nach vorn. Die Lendenwirbelsäule soll dabei neutral bleiben (also nicht rund werden).
  • Drücke die Ferse des ausgestreckten Beins in den Boden und zieh die Hüfte nun leicht zurück, ohne dass sich der Fuss mitkommt.

Hüftbeuger

Die Hüftbeugergruppe besteht aus dem grossen Lendenmuskel Ilio Psoas, dem Schenkelbindenspanner Tensor Fasciae Latae und dem geraden Oberschenkelmuskel Rectus Femoris. Wie der Name schon sagt, sorgen diese Muskeln für eine Beugung im Hüftgelenk, also dafür, dass wir das Bein nach vorne führen und das Knie zur Brust ziehen können.

Folgen verkürzter Hüftbeuger

Ist die Hüftbeugemuskulatur verkürzt, kippt das Becken nach vorn und die Lendenwirbelsäule wird verstärkt in ein Hohlkreuz gezogen. Die Folge sind Fehlbelastungen und Schmerzen im Rücken und Kreuzbereich. Um den veränderten Körperschwerpunkt auszugleichen, werden ausserdem die Beine überstreckt, also die Knie durchgedrückt, was auch hier zu Problemen führen kann.

Eine Pilates-Übung, die mit verkürzten Hüftbeugern schwierig wird, ist der Roll Up. Denn um uns aufrollen zu können, müssen wir das Becken nach hinten kippen und die Lendenwirbelsäule rund machen – was nur geht, wenn die Hüftbeuger nachgeben.

Dehnung der Hüftbeuger

Die Hüftbeuger lassen sich in Positionen dehnen, in der die Hüfte gestreckt ist. Mit zusätzlicher Beugung im Knie wird auch der vordere Oberschenkel mitgedehnt.

Auf dem Bauch – Variante mit gestreckten Beinen

  • Leg dich auf den Bauch. Stütz dich auf die Unterarme und strecke die Beine.
  • Zieh den Bauchnabel ein und kipp das Becken nach hinten, so als würdest du den unteren Rücken rund machen wollen. Dadurch baust du Spannung im Gesäss auf und löst das Hohlkreuz auf.
  • Drücke nun abwechselnd einen Fussrücken in die Matte und halte den Druck für 5 bis 10 Sekunden.

Auf dem Bauch – Variante mit Oberschenkeldehnung

  • Leg dich auf den Bauch, fass einen Fuss und zieh die Ferse zum Gesäss.
  • Zieh nun den Bauchnabel von der Matte weg und kipp das Becken, als würdest du den unteren Rücken rund machen wollen.
  • Achte darauf, dass du das gebeugte Bein nicht zur Seite ziehst, sondern es parallel zum ausgestreckten Bein behältst.

Im Ausfallschritt – für Fortgeschrittene

  • Mach einen Ausfallschritt und verlagere den Schwerpunkt auf das vordere Bein. Leg das hintere Knie auf der Matte ab.
  • Richte den Oberkörper auf. Zieh den Bauchnabel ein und kipp das Becken nach hinten, so als würdest du den unteren Rücken rund machen wollen.
  • Schieb die Hüfte des hinteren Beins nach vorn und lass dich nun von der Schwerkraft nach unten Richtung Matte ziehen. Behalte dabei die Spannung im Bauch bei.

Brust- und vordere Schultermuskeln

Durch unsere nach vorne gebeugte Haltung am Bildschirm (oder auch durch übermässiges Krafttraining) laufen verschiedene Muskeln im Brust- und Schulterbereich Gefahr zu verkürzen: allen voran der grosse Brustmuskel, der vordere Anteil des Deltamuskels sowie auch der obere Anteil des Trapezmuskels. Sie treten in Aktion, wenn wir die Arme vor dem Körper halten, zum Beispiel um einen Gegenstand anzuheben und zu tragen.

Folgen verkürzter Brust- und Schultermuskeln

Verkürzte Brust- und Schultermuskeln führen auf Dauer zu einem Rundrücken, einer sogenannten Hyperkyphose der Brustwirbelsäule, häufig mit gleichzeitiger Überstreckung der Halswirbelsäule (auch als Geierhals bezeichnet). Die Folgen sind Verspannungen, Nacken- und Rückenschmerzen. Langfristig kann diese Fehlhaltung Bandscheibenschäden im Halswirbelbereich hervorrufen. Verkürzungen der Brustmuskulatur beeinträchtigen ausserdem die Atmung.

Pilates-Übungen wie Swimming oder Flight helfen gegen verkürzten Brustmuskeln – fallen bei starker Verkürzung aber erst einmal sehr schwer.

Dehnung der Brust- und Schultermuskeln

Die Brust- und vordere Schultermuskulatur lassen sich in Positionen dehnen, in denen die Arme nach hinten gezogen und nach aussen rotiert sind.

Brustöffner – Variante im Liegen

  • Setz dich mit ein wenig Abstand mit dem Rücken zum Sofa oder zum Bett.
  • Lehn dich nun zurück und leg Kopf und Schultergürtel ab. Leg die Arme über dem Kopf ab, sodass die Handflächen zur Decke zeigen.
  • Dein Rücken ist im nun im Hohlkreuz – das ist okay. Atme entspannt tief in die Rippen und den Bauch ein.

Brustöffner – Variante am Türrahmen

  • Stell dich in einen Türrahmen oder an ein Wandende. Streck einen Arme auf Schulterhöhe aus und bring die Handfläche zur Wand.
  • Mach ein paar Schritte nach vorn, ohne die Hand von der Wand zu lösen, und lehn dich in die Dehnung hinein.
  • Lass die Schulter dabei tief, nicht zum Ohr hochziehen!
  • Drück nun die Handfläche wiederholt gegen die Wand und halte den Druck jeweils für 5 bis 10 Sekunden.
  • Variante um den kleinen Brustmuskel zu dehnen: Leg die Hand weiter oben an der Wand ab, sodass der Arme diagonal nach oben gestreckt ist. Danach gleiches Vorgehen wie vorher.

Brustöffner in der Vorbeuge – für Fortgeschrittene

  • Komm in einen Fersensitz und verschränke die Hände hinter dem Rücken.
  • Beug dich mit dem Oberkörper langsam nach vorne und strecke die Arme zur Decke.
  • Lass die Arme, gezogen von der Schwerkraft, über den Kopf Richtung Matte sinken. Je nach Beweglichkeit kannst du dabei den Kopf auf der Matte abstellen.
  • Du kannst die Dehnung verstärken, indem du das Gesäss von den Fersen löst und die Arme noch weiter nach vorne unten sinken lässt.

Nimm dir jeden Tag eine Viertelstunde Zeit zum Dehnen – das entspannt, macht beweglicher und verbessert dein Pilates-Training.

Die drei goldenen Regeln des Dehnens

  • Weniger ist mehr. Geh die Sache sanft an und dehne nur bis zur Stufe «Wohlfühlschmerz».
  • Schritt für Schritt. Beginne mit einfachen Dehnpositionen und -varianten und steigere erst, wenn diese keinen Effekt mehr haben.
  • Entspannen und atmen. Lass dich in die Dehnung hineinsinken und den Atem fliessen. Entspanne nicht nur den gedehnten Muskel, sondern auch Schultern und Kiefer.

Hyperkyphose – Tipps gegen den Buckel

Ein Rundrücken, auch als Hyperkyphose oder Buckel bezeichnet, führt zu Verspannungen und Schmerzen. Mit Pilates-Übungen kannst du diese Fehlhaltung korrigieren.

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